Grundschule Hamburg ohne Schreibschrift?

Die BSB Hamburg stellt den Grundschulen der Hansestadt Hamburg ab dem neuen Schuljahr die Verwendung der Schreibschrift frei Konkret heißt es im ab 1.8.2011 geltenden Bildungsplan für das Fach Deutsch (Lehrplan in Hamburg) auf S. 14:

„Die Schülerinnen und Schüler entwickeln im Laufe der Grundschulzeit eine individuelle, flüssige und lesbare Handschrift. Im Anfangsunterricht wird dies entweder durch die Erarbeitung der unverbundenen Druckschrift und anschließend der Schulausgangsschrift als verbundener Schrift oder der Grundschrift als einziger Schrift ermöglicht (siehe Anhang). Das Konzept der Grundschrift sieht das Erlernen formklarer Buchstaben vor, orientiert an der Druckschrift, die dann individuell verbunden werden können. Bei großen Schwierigkeiten können einzelne Schülerinnen und Schüler eine unverbundene Schrift über den Anfangsunterricht hinaus benutzen.“

Die Primarstufenpädagogik reagiert hier mit „Veränderung“ der Anforderungen auch auf die zunehmenden größer werdenden feinmotorischen Disparitäten von Schülern in der Primarstufe, welche sich bei betroffenen Schülern unter anderem auch durch ein krakeliges, schwer lesbares Schriftbild äußern, welches sich nicht unbedingt verbessert, wenn die Buchstaben dann auch noch verbunden werden müssen. Ergo stellt man hier die Verwendung frei und senkt wohl lieber im Zweifelsfall die Lernanforderungen.

Letztendlich auch eine negative Folge der früheren didaktischen Umstellung, zuerst die Druck- dann erst die Schreibschrift einzuführen, den Teilbereich „Schönschrift“ an Grundschulen zu eliminieren, die dazugehörigen Schwungübungen einzustellen und die Einführung des Füllers zeitlich immer weiter nach hinten zu schieben. Die Hoffnung vieler Grundschulpädagogen, durch die frühere Einführung der Druckschrift den Schülern schneller die Welt der Literatur zu erschließen, hat sich durch die abnehmende Lesewilligkeit der Kinder nicht erfüllt: Eine Reflexion der eigenen Rechtschreibung des Schüler über Literaturkonsum aus Büchern findet immer seltener statt.

Um die Behandlung der sich in der Grundschule dann eher noch verstärkenden legasthenen Ansätze und der feinmotorischen Störungen bei einigen Schülern (haptische oder taktile Teilleistungsstörung) kümmert sich mittlerweile schon ein ganzes Heer von Legasthenie-Instituten, Lern- und Ergotherapeuten. Selbstverständlich stets auf private Kosten der Eltern :-).

Rein logisch taucht noch die Frage auf, wie sich eine schnelle und flüssige Schrift entwickeln soll, wenn nach jedem Buchstaben der Stift ab und neu wieder angesetzt werden muss. So ist es jedoch für Schüler problematischer, später eine gewisse Schreibgeschwindigkeit zu entwickeln, um im Unterricht mitprotokollieren zu können.

Aber es gibt im Bildungsplan Deutsch der Primarstufe in Hamburg noch mehr zu entdecken, zum Beispiel auf S. 32 zu den schriftlichen Leistungen, was nach Meinung des Blogs genauso spannend ist, wie die Frage Grundschrift- oder Schreibschrift: Die Rechtschreibung. Im Bildungsplan Deutsch auf S. 32 steht klar: „Rechtschreibfehler werden bei schriftlichen Lernerfolgskontrollen und eigenen Texten der Schülerinnen und Schüler nicht bewertet.“

Immerhin sollen die Schüler über „richtige Schreibweisen nachdenken“ (vgl. S. 13). In der Praxis gestatten viele Grundschullehrerinnen schon die sogenannte lautierende Schreibweise und korrigieren die Rechtschreibung hier nicht mehr. Welche Folgen die nicht orthographisch korrekte Schreibweise für Schüler dann später in der Sekundarstufe hat, haben wir schon früher hier im Blog dargelegt. Dort spätestens wird die Rechtschreibung der Schüler bewertet und Fehler beinhart sanktioniert.

Interessant wird’s ab S. 19 im Bildungsplan. Hier wird der sogenannten lernfeldorientierten Kompetenzvermittlung Rechnung getragen. Vermittelt werden sollen die Kompetenzbereiche:

  1. Sprechen und Zuhören
  2. Schreiben und richtig schreiben (unter anderem ist hier eine Anforderung, ob die Kinder den Thesaurus des PC-Programmes bedienen können. Wow!)
  3. Lesen und mit (elektronischen) Medien umgehen können (Was sicher nicht verkehrt ist…)
  4. Sprache und Sprachgebrauch untersuchen (Wort- und Satzarten, Interpunktion und Zeiten erkennen können)

Die Hinweise in den Klammern beziehen sich jeweils auf die Anforderungen der 4. Klassenstufe. Die praxisnahen Deutsch Anforderungen Ausgang 4. Klasse haben wir hier auch schon mal im Blog aufgelistet…

Es lohnt auch ein Blick auf die Gymnasial-Anforderungen ab S. 29, die im neuen Bildungsplan Deutsch relativ klar definiert sind, unter anderem im Bereich Rechtschreibung:

Richtig schreiben: Die Schülerin / der Schüler
• schreibt den geübten (!) Rechtschreibgrundwortschatz nahezu richtig,
• zeigt Fehlersensibilität und Rechtschreibgespür, das heißt er oder sie denkt über Schreibungen nach, nutzt im Zweifelsfall das Wörterbuch und korrigiert Fehler.

Der Nachhilfe-News-Blog fragt sich, wie sich die Rechtschreibung bei Schülern konditionieren soll, wenn die dementsprechenden Leistungsüberprüfungen (Diktate) und Sanktionierung schlicht herausgenommen und in den Jahren vorher nicht bewertet werden… Anders ausgedrückt: Die Rechtschreibung wird explizit an der Grundschule nicht bewertet, ist dann aber ein zwingendes Anforderungskriterium für die Gymnasiallaufbahn.

Falls Sie bei Ihrem Kind Deutsch-Defizite in der Grundschule in Hamburg feststellen, warten Sie nicht bis zur Schullaufbahnempfehlung in der 4. Klasse, sondern denken eventuell schon vorher an eine professionelle Nachhilfe für die Grundschule zur Unterstützung Ihres Kindes bei Ihnen zu Hause.

Nachtrag: Heute stand im Hamburger Abendblatt ein Interview mit Studienrätin, Karin Brose zum Thema Schreibschrift. Wir fühlen uns bestätigt 🙂

Veröffentlicht von

Dr. Kai Pöhlmann

Dr. Kai Pöhlmann ist Inhaber der ABACUS Nachhilfe Institute Hamburg und Kreis Pinneberg und Gründer des ersten ABACUS-Nachhilfeinstitutes nördlich der Isar. Google+