TIMSS und IGLU Studie Grundschule Ergebnisse 2012

heute wurden die Ergebnisse der Grundschul-Leistungsstudien IGLU und TIMSS 2011 in Berlin vom BMBF und Thies Rabe vorgestellt.

IGLU 2011 (= Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) und TIMSS 2011 (= mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen von Grundschulkindern im internationalen Vergleich)

Das scheinbar offensichtliche Ergebnis:

Die Grundschüler der Bundesrepublik Deutschland sind im Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften (noch knapp) im oberen Drittel im internationalen Ländervergleich. Zum Beispiel liegen in der IGLU-Studie Grundschüler aus Ländern wie Taiwan, Schweden, Nordirland, Russland und Singapur eindeutig vor den deutschen Kindern, in der TIMSS-Studie rangieren in Mathematik auch die Grundschüler aus Portugal, Litauen und Belgien vor den deutschen Grundschülern.

Interessant sind wie immer die Details der Untersuchungen und der Vergleich mit den gleichen Schultests der Vorjahre:

IGLU:

  • „Hinsichtlich der unterschiedlichen Verstehensleistungen ergibt sich für die Schülerinnen und Schüler in Deutschland ein Wert von 548 Punkten auf der Subskala textimmanente Verstehensleistungen. Für die Subskala wissensbasierte Verstehensleistungen zeigt sich hingegen für die Schülerinnen und Schüler in Deutschland nur eine mittlere Leistung von 536 Punkten. Mit einer Differenz von 12 Punkten weist Deutschland in den beiden Verstehensleistungen eine vergleichsweise hohe Diskrepanz auf.“ (vgl. S. 15 der Presseerklärung ifs Dortmund)
  • „Für den Vergleich der drei Erhebungen IGLU 2001, 2006 und 2011 zeigt sich für Deutschland, dass die Verbesserung, die sich 2006 im Vergleich zu 2001 gezeigt hat, 2011 nicht fortgesetzt werden konnte. Die Leistungen von 2011 entsprechen in etwa dem Leistungsniveau von 2001. Der Mittelwert auf der Gesamtskala Lesen fällt 2011 mit 7 Punkten signifikant niedriger aus als 2006.“ (vgl. S. 17 der Presseerklärung des ifs Dortmund).
  • „Im Vergleich zu 2001 hat sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler in Deutschland auf den unteren Kompetenzstufen nicht signifikant verändert. Weiterhin erreicht mehr als jedes sechste Kind ein nicht ausreichendes Kompetenzniveau im Lesen.“ (vgl. S. 23 ebenda)

Mal auf Deutsch á la Martin Luther:

Infos im Text finden klappt ganz gut, aber mit dem tiefer gehenden Wissen (Interpretieren und Kombinieren) aus den Texten hapert es ganz schön. Das Lese-Leistungs-Niveau der Grundschüler in Deutschland ist in 10 Jahren nicht gestiegen, von 2006 bis 2011 sogar deutlich abgesackt (eben wieder auf das Niveau von vor 10 Jahren gefallen.) Das untere Kompetenzniveau ist genau da, wo es schon vor 10 Jahren war und ca. 16% der Grundschüler haben kein ausreichendes Leseverständnis. Auch die Spitzengruppe (Kompetenzbereich V) ist mit 9,5% in 2011 genauso groß wie in 2001…

TIMSS:

(hier werden die TIMSS Ergebnisse aus 2007 zu 2011 verglichen)

Mathematik:

  • „In Deutschland erreichen 19.3 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht die Kompetenzstufe III (= Durchschnitt) Diese Kinder verfügen allenfalls über elementares mathematisches Wissen sowie über elementare mathematische Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dieser Schülergruppe wird das mathematische Lernen in der Sekundarstufe I erhebliche Schwierigkeiten bereiten.“ (S. 37 a.a.O)
  • „Nach wie vor erreicht lediglich etwa jedes zwanzigste Kind in Deutschland fortgeschrittene Leistungen in Mathematik (= höchste Kompetenzstufe des Tests)“ (vgl. S. 41 a.a.O)

Naturwissenschaften:

  • „Für Deutschland sind auf der Gesamtskala Naturwissenschaften im Vergleich der Studienzyklen 2007 und 2011 keine signifikanten Veränderungen in den Leistungsmittelwerten zu verzeichnen. Auch bei einer differenzierten Betrachtung nach Inhaltsbereichen und kognitiven Anforderungsbereichen zeigen sich für TIMSS 2011 im Vergleich zu 2007 keine signifikanten Unterschiede.“ (S. 46 a.a.O.)
  • „In Deutschland erreichen 22.0 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht die Kompetenzstufe III. Diese Kinder verfügen allenfalls über naturwissenschaftliches Anfangswissen und haben Schwierigkeiten, dieses Wissen produktiv anzuwenden. Dieser Schülergruppe wird das naturwissenschaftliche Lernen in der Sekundarstufe I erhebliche Schwierigkeiten bereiten.“ (S. 49 a.a.O.)
  • „Im Vergleich zu 2007 hat sich für die Naturwissenschaften der Anteil der Schülerinnen und Schüler auf den unteren Kompetenzstufen nicht signifikant verändert. Weiterhin erreicht knapp jedes fünfte Kind ein nicht ausreichendes Kompetenzniveau in den Naturwissenschaften.“ (S. 51 a.a.O.)

In den sogenannten MINT-Fächern hat sich in Deutschland bei den Grundschülern im Vergleich zu 2007 auch nichts Wesentliches geändert.

Interessant ist sicher nochmals die Erkenntnis aus beiden Studien, dass Bücher lesen schlicht bildet und dass Eltern hier Vorbildfunktion haben:

Grundschüler aus Familien mit mehr als 100 Büchern sind deutlich schlauer als Kinder aus Familien mit weniger als 100 Büchern. Das betrifft sowohl die untersuchte Lesekompetenz, als auch die Leistungen in Mathematik und den Naturwissenschaften. Der Lern- und Wissensvorsprung dieser Grundschüler beträgt ein ganzes Schuljahr! (S. 79 ff.)

Im Leseverständnis beträgt der Vorsprung bei Schülern, in deren Familien fast immer Deutsch gesprochen wird, auch knapp ein ganzes Schuljahr (S. 93). Das Gleiche gilt für Mathematik (S. 97) und fällt in den Naturwissenschaften noch höher aus (S. 101)

Sind die Eltern nicht in Deutschland geboren, fallen die Unterschiede noch deutlicher aus, die Rückstände der Grundschüler aus diesen Familien sind noch größer:

„Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, erzielen sowohl im Lesen als auch in Mathematik und in den Naturwissenschaften schlechtere Leistungen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, die zu Hause Deutsch sprechen.“ (Vgl. S. 125)

Deutschland gibt insgesamt zu wenig Geld für die Grundschulen aus:

„Nach Angaben der UNESCO gab Deutschland im Jahr 2008 rund 4.6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus. Mit lediglich 0.6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen die Ausgaben für den Primarbereich in Deutschland deutlich unter dem Mittelwert der berichteten EU-Staaten (1.2 %).“ (s. 113)

und fördert zuwenig im oberen Leistungsbereich der Schüler:

„Auffällig ist, dass an allen Schultypen deutlich mehr Angebote für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler zur Verfügung gestellt werden als für leistungsstarke Viertklässlerinnen und Viertklässler.“ (S. 117)

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich in den letzten Jahren in der Grundschulleistung der deutschen Schüler nichts Bahnbrechendes verändert hat und dass die guten zeitweise erzielten Ergebnisse aus 2006 wieder auf das Niveau von 2001 gefallen sind. Das kann man natürlich aus so formulieren: „Das sehr gute Niveau konnte gehalten werden“ ;-).

Nun ja… Ketzerisch könnte man auch sagen: Wer sich in 10 Jahren nicht signifikant weiterentwickelt hat, ist nicht besonders erfolgreich. Denn bekanntermaßen bedeutet Stagnation immer Rückschritt in einer sich verändernden Umwelt, oder?

Die TIMSS und IGLU-Ergebnisse 2012 können hier eingesehen werden, für den Schnell-Leser empfiehlt sich die Zusammenfassung ab S. 120

Interessant wäre jedenfalls die wissenschaftliche Beantwortung der Frage nach dem „Warum“ des 2011-Leistungsabfalles zum Jahr 2006.

Ab 2006 wurden in Deutschland jedenfalls die großen Umbrüche in der Bildung und den Schularten in allen Bundesländern massiv vorangetrieben: Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem, Einführung der Ganztagsschule, Abschaffung des Sitzenbleibens, Abschaffung von Diktaten und Schreibschrift, klassenstufenübergreifender Unterricht, lernfeldorientierte Kompetenzvermittlung etc. Eine Schulreform jagte ja praktisch die Nächste. Vielleicht sind einige dieser Maßnahmen doch nicht so förderlich für den Leistungsaufbau und die Schaffung von Kompetenzen bei Grundschülern?

Im Zweifel bieten wir natürlich auch professionelle Nachhilfe speziell für die Grundschule in Hamburg und im Kreis Pinneberg an, damit der Übergang auf die weiterführende Schule der Sekundarstufe I möglichst ohne Defizite verläuft.

Veröffentlicht von

Dr. Kai Pöhlmann

Dr. Kai Pöhlmann ist Inhaber der ABACUS Nachhilfe Institute Hamburg und Kreis Pinneberg und Gründer des ersten ABACUS-Nachhilfeinstitutes nördlich der Isar. Google+

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