Schule Hamburg: Förderung von Brennpunktschulen

Die Schulbehörde Hamburg will sogenannte Brennpunktschulen, Hamburger Schule in „sozial schwieriger Lage“, besonders fördern. Hierzu hat die Schulbehörde ein Förderprogramm für die nächsten 4 Jahre mit einem Volumen von 8 bis 10 Mio Euro beschlossen. Der Ansatz, Brennpunktschulen zu fördern, ist sicher lobenswert, aber ob das nur mit umverteiltem Geld aus dem Schul-Etat zu machen ist?

Es werden hier eben nicht etwa € 10 Mio. zusätzliche Mittel von der Stadt Hamburg bereit gestellt, sondern die Schulen, die sich in Hamburg nicht in einem sozialen Brennpunkt befinden, sollen als „Solidaritätsbeitrag“ Mittelzuweisungen und Lehrerstellen abgeben. Lehrer und Geldmittel, die dann natürlich an anderer Stelle fehlen, insbesonders aus dem Renovierungs-Programm: Anstehende Schulrenovierungen in Hamburg müssen daher wohl zurückgestellt werden…

Mit Ausnahme natürlich des Hamburger Prestige-Schulbau-Projektes „Bildungszentrum Tor zur Welt“ in Wilhelmsburg. Wollen wir mal hoffen, dass es die Schüler in Wilhelmsburg auch entsprechend wertschätzen und das die Steuer-Millionen – schlappe € 60 Mio. soll das Projekt kosten – der Hamburger hier gut angelegt sind.

Das Konzept erinnert ein wenig an das Großprojekt Mümmelmannsberg, welches in den 1970er Jahren mit ebenfalls viel Steuergeldern realisiert wurde, damals den neuesten Standard an städtebaulicher Infrastruktur bot und einen gemeinsamen Lebensraum für Menschen mit unterschiedlichen sozialen Herkünften bieten sollte. Heute repräsentiert Mümmelmannsberg einen „Ort der Armut und der sozialen Ausgrenzung“ und weist nach wie vor eine der höchsten Sozialhilfedichten der Stadt Hamburg auf. (Aus: „Erfahrung und Bewältigung von sozialer Ausgrenzung in der Großstadt: Was sind Quartierseffekte, was Lagereffekte? in: Hartmut Häußermann / Martin Kronauer / Walter Siebel (Hrsg.): An den Rändern der Städte – Armut und Ausgrenzung).

Die BSB Hamburg hat für das nächste Schuljahr einen ganzen Strauß an Maßnahmen beschlossen, welche, wie erwähnt, nur 15-20 Schulen in Hamburg zugute kommen wird, welche einen niedrigen KESS-Faktor aufweisen.

Die Schulbehörde Hamburg will mit den jetzigen Maßnahmen auch auf den sogenannten „Brandbrief der Hamburger Schulleiter“ von der Elbinsel reagieren, in dem unter anderem konstatiert wird, dass der Migrationsanteil der Schüler dort bei bis zu 90% liegt, dass 50% der Schüler staatliche Leistungen beziehen, dass ein hoher Anteil der Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern stammt, die die Verkehrssprache Deutsch nicht mal ansatzweise beherrschen und dass die Lernrückstände der Schüler in Wilhelmsburg bis zu zwei Jahre (!) betragen. Viele Schüler hätten außerdem eine „geringe Regelakzeptanz“ und „erhebliche Erziehungsdefizite“.

Konkret beinhaltet das Förderprogramm unter anderem:

  • Die Schulzeit bis Klasse 6 kann um ein weiteres Jahr verlängert werden. Sitzenbleiben ist in Hamburg also wieder erlaubt. Aber nur an den Brennpunktschulen…
  • Eine halbe zusätzliche Stelle je Schule für „konzeptionelle, pädagogische Arbeit“. In diese werden aber die 30 Fortbildungsstunden je Lehrer und die Funktionsstunden der jeweiligen Schule um mindestens die Hälfte „eingebunden“, also gekürzt 😉
  • Für „besonders verhaltensauffällige“ Schüler sollen 80 Plätze zur zusätzlichen Förderung in Kleingruppen bereitgestellt werden. 80 Plätze, verteilt auf 20 Brennpunktschulen = 4 Plätze je Schule. Wow…
  • An 10 Brennpunkt-Grundschulen wird vom Verein Brotzeit ein Frühstück gesponsert, da es hier wohl immer mehr Eltern gibt, die ihr Kind ohne Frühstück in die Grundschule schicken (!)
  • Eltern mit Kindern an Brennpunktschulen sollen zu „Elternlotsen“ ausgebildet werden, damit die andere Eltern unter anderem in Schul- und Erziehungsfragen beraten (Hoffentlich sind das dann nicht ausgerechnet die Eltern, die ihre Kinder ohne Frühstück in die Schule schicken, sonst wird hier wohl der Bock zum Gärtner gemacht…)
  • Die BSB Hamburg richtet eine Steuerungsgruppe mit 7-10 Schulberatern ein (und wer dann nicht mehr weiter weiß, der gründet einen Arbeitskreis ;-))

Offensichtlich hat hier ein bisschen die Bildungsstudie aus den USA: „A Tale of Two Cities: Education Reform in New York City and Berlin“ im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung auch für das Hamburger Förderkonzept Pate gestanden. Allerdings führt die Stadt New York eine rigide Leistungskontrolle an Ihren Schulen durch, in denen der tatsächliche jährlich überprüfte (!) Lernzuwachs der Schüler die bestimmende Rolle spielt… Das komplette geplante Förderprogramm für Brennpunktschulen der BSB Hamburg kann hier eingesehen werden.

Ob die Lösung wirklich darin liegt, dass „Schulen mehr Erziehungsaufgaben wahrnehmen müssen“? Die Lösung von Schulproblemen an sozialen Brennpunkten liegt wahrlich nicht im Aufstocken des Personals oder der finanziellen Mittel. Das hat das Beispiel der Berliner Rütli-Schule wohl schon gezeigt, die ja schon vor den Skandalen zu den finanziell und personell am besten ausgestatteten Schulen Berlins zählte.

Das vom Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz überlieferte „Die Politik muss die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern„, erinnert nicht nur fatal an militaristische, politische Äußerungen der sozialistischen Machthaber 1933-45. Es ist „ideologische Einflussnahme in der kindlichen Entwicklung, rücksichtslos und zynisch gegenüber den Familien und erinnert an sozialistische Herrschaftsansprüche“, so Bischof Karl Lehmann schon 2002.

Die (Bildungs-) politik verordnet, ja zwingt der einstigen Bildungsinstitution Schule, die eigentlich reproduzierbares, abprüfbares Wissen und damit Fähigkeiten und Bildung an Kinder vermitteln sollte, nun immer mehr primäre und basale Erziehungs- und Sozialisationsaufgaben auf. Schule soll zukünftig alles das bieten, was früher Eltern, Sportvereine, Kirche, Freunde und Familie geboten haben. Wenn Schule das bewerkstelligen soll, muss sie natürlich 1. entsprechende Ressourcen haben und 2. die ganze Kinderzeit beschlagnahmen können.

Am besten also gleich nach dem Gebär-Vorgang die Säuglinge in den der Schule angeschlossenen Krippe oder Hort geben. Danach geht’s ab auf die gebundene Einheits-Ganztagsschule mit leckerem und nahrhaftem Einheits-Kantinenfutter. Tüten-Kartoffelbrei mit Magermilchpulver und Spaghetti Bolognese (natürlich ohne Pferd!) gehen ja immer und schmecken den Kiddies auch lauwarm und pappig. Da klappt auch das Hinunterschlingen des Futters ohne Kauen im vorgegebenen 20 Minuten-Zeitfenster… Und wem im Nachmittags-Programm der Schule der Töpferkurs mit Schwester Susanne nicht gefällt, hat dann immer noch den Strickkurs zur Auswahl. Wie früher im real existierenden Sozialismus, in dem sich die Schulabgänger die Lehrstellen auch nicht frei aussuchen konnten… Ab Freitag 15:00 Uhr bis Montag 6:00 Uhr ist dann „Heimaturlaub“ angesagt. Sozialistischer Totalitarismus, Lebensborn und Napola lassen freundlich grüßen…

Die jeweilige regionale Schule wird so als Exekutive zur einzigen Allmacht der Lebensvorbereitung der Kinder, fein säuberlich politisch reglementiert, überwacht und alle vier Jahre im pädagogische Konzept verändert von den jeweiligen, am Ruder befindlichen Politikern.

Zu ähnlichen und noch krasseren Schlussfolgerungen kam übrigens schon Dr. Norbert Blüm am 19.3.2012. Ja, genau der vertikal Herausgeforderte Märchenvorleser mit „Die Rente ist sicher“… Was mancher Rentner ihm heute ankreiden mag… Nichts desto trotz sind seine Gedanken in der Streitschrift „Freiheit! Über die Enteignung der Kindheit“ lesenswert, werden hier doch auch viele Punkte aus unserem vorher erschienenen Artikel „Heilsbringer Ganztagsschule?“ in ein gesellschaftliches Gesamtkonzept gegossen.

Veröffentlicht von

Dr. Kai Pöhlmann

Dr. Kai Pöhlmann ist Inhaber der ABACUS Nachhilfe Institute Hamburg und Kreis Pinneberg und Gründer des ersten ABACUS-Nachhilfeinstitutes nördlich der Isar. Google+

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