Medienkompetenz, Erziehung und Kinder

der Begriff Medienkompetenz als Erziehungsaufgabe für Eltern und Schule ist zwar seit 1973 – als Dieter Baacke seit Grundlagenwerk „Kommunikation und Kompetenz“ veröffentlichte – im Fokus der Wissenschaft, findet aber spätestens seit der „Digitalen Revolution“ (wann immer diese nun begann ;-)) in der Gesellschaft und mit der stetig steigenden Nutzung elektronischer Medien gerade von Kindern und Jugendlichen vermehrt öffentliches Interesse in Bildung und Erziehung. Mit dem Begriff der Medienkompetenz setzen sich mittlerweile eine wachsende Zahl von Arbeiten und Studien auseinander (JIM, KIM, FIM etc.), die neueste ist der „Medienkompetenzbericht 2013“, der am 10.7.2013 vom BMFSFJ und der GMK vorgestellt wurde. Ach ja, BMFSFJ ist die amtsübliche Abkürzung für Bundesfamilienministerium (ehem.), wobei im Amtstitel Familien, Senioren, Frauen und Jugend besondere Erwähnung finden (weniger die Kinder und Männer…).

Der Medienkompetenzbericht 2013 weist im Zuge der Förderung für Kinder und Jugendliche unter anderem auf die besondere Verantwortung des Elternhauses in der (elektronischen) Medienerziehung hin. Nach wie vor ist die Familie der Ort der basalen Prägung für Kinder und stellt somit auch „die Wiege“ der Medienerfahrung von Kindern und Schülern (S. 71).

Da (digitale) Medien heute ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil unserer Alltagskultur sind, gehört der Umgang und die Beherrschung digitaler Medien schlicht heute zu den zu erwerbenden Kernkompetenzen von Schülern mit dazu. Das mag man als Eltern schön finden oder auch nicht, aber hier gegen „Windmühlen zu kämpfen“ und zu versuchen, den technischen Fortschritt aufzuhalten, mutet schon ein wenig „Don Quixotenhaftig“ an und erinnert an Gustav Hartmann („Eiserner Gustav“, welcher 1928 mit seiner Pferdedroschke von Berlin nach Paris fuhr, um gegen die Zunahme des Autoverkehrs auf den Straßen zu protestieren).

Zusätzlich schüren manche Autoren öffentlichkeitswirksam Ängste von Eltern, in dem diese in ihren Werken – partiell berechtigt – zwar auf die Gefahren für Kinder in einer digitalen Gesellschaft hinweisen, aber scheinbar wenig greifbare Lösungsstrategien anbieten. Solche Autoren werden dann schon einmal als „Kulturpessimisten“ oder als „Sarrazin der Computerkritik“ bezeichnet.

So amüsant es für den Leser und Zuhörer ist, diesen polarisierenden Disputen in den Medien zu folgen, so wenig hilfreich, wirklichkeitsorientiert und praxisnah sind Dogmen nach Meinung des Verfassers. Das durchaus methodologische Erfassen der Mediennutzungen von Schülern und das Aufzeigen von dortigen Gefahrenpotenzialen bietet alleine keinen Erkenntnisgewinn.

Ein kompletter Verzicht von Erziehungsberechtigten auf die Einbeziehung elektronischer Medienkultur in deren Kindererziehung käme heutzutage wohl fast dem gleich, was die katholische Kirche am 22.6.1633 Galileo Galilei abverlangte.

Leider bedeutet das für Eltern, ihre Kinder in deren Medienerfahrungen kompetent begleiten zu können, damit ein Einbeziehen in die Erziehung. Diese Beschäftigung und Auseinandersetzung stellt für Eltern heute ein „Mehr“ an Erziehungsarbeit dar. Mediensozialisation von Kindern bedeutet aktive Auseinandersetzung und ist eine Aufgabe der Familie (S. 72), nicht (nur) der Schule.

Unsere Eltern mussten elektronische Medien nicht begleitend ausregeln: Im Fernseher lief nachmittags ein Testbild, allenfalls konnte man Herbert Wehner im Bonner Wasserwerk beim „Schwadronieren“ zusehen. Das Haustelefon stand im Flur unter beständiger Aufsicht der Hausfrau und Mutter, die Kommunikation unter und mit anderen Kindern und Jugendlichen spielte sich direkt in und mit der außerschulischen „Peer-Group“ an den entsprechenden Treffpunkten ab.

Die Nutzung elektronischer Medien beschränkte sich auf den Geburtstagsanruf bei Oma (am Wochenende oder nach 18:00 Uhr, da war’s billiger), auf die täglichen 30 Minuten Flipper, Fury, Daktari und vielleicht auf die erste halbe Stunde „Goldener Schuss“ mit dem dicken Lou, „Großer Preis“ mit Wum und Wendelin oder „Dalli, Dalli“ mit dem Hüpfwunder des deutschen Fernsehens…

Heute nutzen Kinder und Jugendliche nicht nur den Austausch über die rein persönliche Kommunikation „Aug‘ in Aug'“, sondern verbringen 3-5 Stunden am Tag mit und an elektronischen Medien (KIM 2012). Wenn Eltern ihre Kinder mit Erziehungsverantwortung begleiten wollen, dann müssen sie sich – so nicht vorhanden – Medienkompetenzen aneignen. Genau wie das die Personen tun müssen, die Kinder und Jugendliche in der Primar- und Sekundarstufe pädagogisch begleiten.

Genau wie Mama und Papa heute keine Autokarten mehr wälzen, um ans Ziel zu kommen, sondern ihr Navigationsgerät im Auto bedienen können müssen, diese einen SAT-Receiver anschließen können müssen, um Fernsehen zu schauen, so muss ein Kind im Hinblick auf seine gesamtgesellschaftliche Teilhabe Kompetenzen im Umgang mit elektronischen Medien erwerben. Das setzt nun mal das Legen von Basisqualifikationen voraus. Und hier sind primär die Eltern in der Verantwortung.

Mediensozialisation geschieht nicht durch das reichhaltige Angebot an sich, sondern durch begleitende Interaktion der Vorbilder. Diese Vorbildfunktion kommt in erster Linie den Erziehungsberechtigten zu (S. 73).

Helfen wir unseren Kindern dabei, noch besser in der digitalen Welt zurecht zu kommen, in dem wir Sie auf dem Weg der Wissensbildung gestaltend und verstehend begleiten. Eine Negierung digitaler Medien ist für Kinder genauso wenig sinnstiftend wie eine Euphorisierung. Was hilft, ist doch die bewusste und differenzierende Wahrnehmung.

Es kommt nicht auf das „Ja oder Nein“ an, sondern auf das „Wie(viel) und Was“. Denn, wie Günther Jauch mal gesagt hat: „Fernsehen macht dumme Leute dümmer und schlaue Leute schlauer“. Dieser Ausspruch ist sicher auf alle elektronischen Medien übertragbar.

Veröffentlicht von

Dr. Kai Pöhlmann

Dr. Kai Pöhlmann ist Inhaber der ABACUS Nachhilfe Institute Hamburg und Kreis Pinneberg und Gründer des ersten ABACUS-Nachhilfeinstitutes nördlich der Isar. Google+