Praktische Anwendungsgebiete der Integralrechnung

Der ABACUS-Nachhilfelehrer und seine Schülerinnen / Schüler sind gut beraten, wenn Sie sich mit dem Blick auf die schulischen Anforderungen im Bereich der MINT-Fächer positiv und offen für alle neuen Themen einstimmen. Die wirkungsvollste Motivation zu diesem diesem positiven Ansatz – das hat die Erfahrung im MINT-Bereich gelehrt – kommt aus der zu leistenden Aufgabe selbst. Aber zuweilen ist auch guter Rat willkommen.

Auf der Suche danach findet man so manches. Bildungsexperten ergreifen das Wort bei vielen Gelegenheiten und an verschiedensten Orten, gerne auch im Zusammenhang mit den Zeugnisterminen unserer Schulen. Anfang Januar meldet sich hierzu eine „Bildungsexpertin“ in der lokalen Pinneberger Wochenzeitung „Der Mittwoch“ unter dem Titel: „Bildungsexpertin gibt Tipps, wie Schüler stressfrei und mit Spaß ihre Noten verbessern.“ Das klingt doch zunächst einmal gut und macht neugierig. Nach einleitenden, sehr positiv stimmenden Bemerkungen über das richtige Verhalten der Eltern (Zitat): „Bei schlechten Noten nicht schimpfen. Das frustriert die Kinder nur noch mehr“ kommt die Autorin dieses Artikels dann schnell zur Kernaussage; Im Tonfall der Hattie-Studie sagt sie uns (Zitat): „Was hingegen gar nichts hilft, sind gemeinsames Üben, Hausaufgabenkontrolle und Abfragen von Vokabeln.“ Begründung (Zitat): „Dadurch verschlechtert sich das Klima in der Familie.“ Um dieses höchst unerwünschte Geschehen zuverlässig zu vermeiden, lautet ihr Ratschlag dann folgerichtig (Zitat): „Das Kind übt Mathe und die Eltern machen die Steuererklärung.“ Auch von „klaren Etappenzielen“ ist die Rede, aber welche das sein könnten, das wüsste der Leser gerne. Ergänzend hierzu wird zu vollem Recht empfohlen, dass die Kinder sich bei Sport und Spiel tüchtig bewegen und viel Wasser trinken sollen…

Nachdem ich über diese „Expertenmeinung“ nachgedacht hatte, war mir sehr klar: Ein Ziel wird hier sicher erreicht: Die Kinder haben Spaß und die Eltern ihre Ruhe…

Ohne in die Tiefe dieser sicher wohl gemeinten Ratschläge einsteigen zu wollen, blieben bei mir erhebliche Zweifel zurück, ob mit solcher Lehr- und Lernstrategie ein guter Leistungsstand gehalten oder gar Leistungs- und Wissensdefizite erfolgreich aufgeholt werden können.

Aus Sicht der mir recht vertrauten MINT-Fächer entscheide ich mich also, aus dieser Quelle eher nicht den Ansatz für die im kommenden Jahr mit meinen Schülern und Schülerinnen zu leistende Arbeit zu nähren. Dann doch lieber noch einmal aufmerksam die Ergebnisspalte „Hilft richtig“ in dem Bericht über die Hattie-Studie lesen und im übrigen die oben erwähnte Erkenntnis nutzen, dass eine sehr wesentliche Motivation aus den MINT-Themen selbst und der Arbeit mit ihnen geschöpft werden kann.

Gewiss macht es Mühe und bedarf der Ausdauer, das in den MINT-Fächern erforderliche Wissen und auch eine angemessene Anwendungskompetenz desselben zu vermitteln und zu erlernen. Aber wenn es gelingt deutlich zumachen, dass der Erfolg dieses Bemühens zu einem zuverlässigen Türöffner bei dem weiteren Weg durchs Leben werden kann, dann sollte dies ein positiver Antrieb sein.

In diesem Sinne – wie im letzten Beitrag angekündigt – hier daher ein kleiner Exkurs in die Anwendungsvielfalt der Analysis – genau gesprochen – der Integralrechnung:

Die Messung elektrotechnischer Größen spielt sowohl im industriell / handwerklichen als auch im wissenschaftlich / labortechnischen Umfeld eine wichtige Rolle. Die Spannungen, die von den Energieversorgungsunternehmen an die verschiedenen Netzverbraucher geliefert werden, sind Wechselgrößen mit sehr exakter Sinusform. Die Kurvenform der Ströme hingegen hängt von der Art der aus der Netzspannung gespeisten Verbraucher ab: Bei linearen Verbrauchern (ohmschen Verbrauchern) sind auch die Ströme sinusförmig, bei nicht linearen Verbrauchern (z. B. über Halbleiterschaltungen gespeiste Elektroantriebe) sind die Ströme Wechselgrößen mit mehr oder weniger Abweichung von der Sinusform (Grundwelle mit Oberschwingungsgehalt). Zur Messung dieser Ströme und Spannungen werden entweder schreibende Geräte verwendet, die die Kurvenverläufe der Messgrößen über der Zeit aufzeichnen, oder elektromagnetische Messgeräte, die entweder den arithmetischen oder den quadratischen Mittelwert der Messgröße anzeigen. Just hier helfen uns die Kenntnisse aus der Intergralrechnung. Für den arithmetischen Mittelwert der zeitveränderlichen Spannung u(t) gilt:

Ist die Spannung – wie unserem Falle – sinusförmig, also periodisch in T, so hilft uns ein derartiges Messverfahren nichts, denn der Mittelwert ist Null. (Die positiv- und negativ-zählenden Flächenanteile sind gleich groß).

Abhilfe schafft ein Gleichrichter im Eingang eines solchen sog. Drehspuhl-Messgerätes, aber nur bedingt. Dann misst das Messgerät den Mittelwert xglr des Betrages der Spannung ׀u(t)

den sogenannten Gleichrichtmittelwert. Die Skala derartiger Messgeräte berücksichtigt dann gewöhnlich den für sinusförmige Größen gültigen Formfaktor, das Messgerät ist zur Messung von Größen anderer Kurvenformen ohne weiteres nicht zu gebrauchen.

Deshalb werden in der Praxis der Messtechnik von elektrischen Größen mit Grund- und Oberschwingungsanteilen Messgeräte (sogenannte Weicheisengeräte) verwendet, die quadratische Mittelwerte (sogenente Effektivwerte) erfassen und anzeigen. Dieser Mittelwert ist aus dem Leistungsumsatz u(t) * i(t) in einem Verbraucher abgeleitet und ergibt unabhängig von der Kurvenform richtige Ergebnisse. Für den Effektivwert Ueff einer Wechselspannung u(t) gilt:

Man erkennt unschwer, dass dieser Mittelwert gleich der Wurzel aus dem Quadrat des arithmetischen Mittelwertes ist.

Im Kurzbeitrag des Vormonates hatten wir die klare Herausstellung des Anwendungsbezuges in dem Prozess des Lehrens und Erlernens – besonders auch komplexerer Zusammenhänge – als wichtiges Element der Motivation im weitesten Sinne dargestellt. Mein Ausflug in ein weiteres Anwendungsgebiet der Integralrechnung soll erneut eine Antwort auf die oft gestellte Frage von Schülerinnen und Schülern geben: Warum ist Analysis mit der Integralrechnung Teil meiner Schulausbildung in E bis Q2?

(Schreibweise der Gleichungen zu den Mittelwertausdrücken siehe Wikipedia)

Veröffentlicht von

Hensel

Prof. Dr. Wilfried Hensel, TU Berlin. 30 Jahre naturwissenschaftliche Lehrerfahrung

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