Bildung über bestehende Paradigmen hinaus denken

Die Diskussionen um Bildungsstandards, Bildungsungleichheiten und Bildungsarchitekturen führen in letzter Konsequenz zu dem bildungspolitischen Eingeständnis, dass der moderne Bildungsbegriff bislang eine Kopie seiner selbst zu sein scheint – eine Kopie, die sich den neuen Standards anzupassen vermag, aber bislang quasi an sich selbst scheitert.

Jeglicher Versuch, einer grundsätzlichen Erneuerung des Bildungsbegriffs nachzukommen, konnte bislang mit medienkritischen, medienrelevanten oder wissenschaftstheoretischen Argumentationen (noch) nicht überzeugend beantwortet werden. Möglicherweise sind Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dem Mythos erlegen, dass im Rahmen der Globalisierung und des kulturellen Wandels sofortige technische Innovationen erfolgen müssen, um die Gesellschaft vor dem geistigen und materiellen Untergang zu bewahren.

Es wäre an der Zeit, sich aus der PISA-Manie zu befreien und sich an die humanistischen Bildungsideale zu erinnern, die ihr spezifisches Profil aus der Synthese von moralischem Engagement und kritischem Denken in der Interaktion zu Lebenswelt bezieht. Insbesondere im Hinblick auf die weltweiten Migrationsströme sollte es oberstes Bildungsziel sein, aus jungen Menschen mündige Bürger zu machen, die in der Lage sind, ihre Lebenswelt selbst zu gestalten und sich verantwortungsvoll in die Gemeinschaft zu integrieren.

In der humanistischen Bildung und Erziehung finden sich zudem das Bekenntnis zu Menschenrechten und ein Verständnis für unterschiedliche Weltanschauungen. Humanistische Bildung ist mehr als die Aneignung von Fachwissen. Es ist wohl zu kurz gegriffen, die Ursachen der Bildungsmisere an mangelnder Technikausstattung, unmotivierten Lehrern und unausgereiften medienpädagogischen Programmen festzumachen. Solange keine Einigkeit darüber herrscht, wohin der digitale Bildungsweg überhaupt führen soll, wird es wohl auch keine nachhaltigen Lösungen geben.

Die große Herausforderung der nahen Zukunft wird das Verhältnis der Menschen zum Computer, zur Mediatisierung sein. Das humanistische Bildungsideal kann hier wichtige Orientierungspunkte im Hinblick auf ethische Fragen in einer autonomen digitalen Welt setzen, sofern es eben nicht auf das „Ich“ reduziert wird. Es sollte im Interesse des Kulturprogramms gewagt werden, Bildung nicht ausschließlich unter einem individualtheoretischen Ansatz, sondern wieder unter gesellschaftsheoretischem Ansatz wahrzunehmen. Ohne die Befähigung zur Interaktion mit Lebenswelt und einschränkend lediglich vom Individuum her gedacht, bleibt Bildung inhaltsleer, synergiefrei und ohne erhoffte gesellschaftliche Relevanz.

Veröffentlicht von

Dr. Kai Pöhlmann

Dr. Kai Pöhlmann ist Inhaber der ABACUS Nachhilfe Institute Hamburg und Kreis Pinneberg und Gründer des ersten ABACUS-Nachhilfeinstitutes nördlich der Isar. Google+

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