MINT-Fächer: Keine Trendwende in Sicht?

In den Sommerferien – also im Zeitraum zwischen dem vergangenen und dem nächsten Schuljahr – widmen sich die Medien mit schöner Regelmäßigkeit der Beurteilung der Qualität der Schulen und der erreichten Schulabschlüsse. Dabei stehen hauptsächlich die Gymnasien und Stadtteilschulen im Fokus der statistischen Untersuchungen und Bewertungen.

Der ABACUS-Nachhilfelehrer in MINT-Fächern richtet in diesem Zusammenhang seinen Blick natürlich vor allem auf die Ergebnisse im Bereich der Mathematik und Physik.

Anfang Juli 2016 klagte das Hamburger Abendblatt an exponierter Stelle:

„Hamburgs Abiturienten in Mathematik immer schlechter“

In diesem Artikel konnte man lesen, dass die im Mittel schlechten Ergebnisse der Abituriums-Abschlüsse in der Hamburger Bürgerschaft vehement diskutiert wurden. Es wurde unter anderem erörtert, ob diese als „alarmierend“ bezeichnete Entwicklung das Ergebnis eines jahrelangen unzureichenden Mathematikunterrichts, in dem zu wenig Fachlichkeit gilt und unzureichend geübt und wiederholt wird sei. Im Hamburg-Teil der gleichen Ausgabe wurde dieses Thema vertieft: Bei aller Kontroverse über die Interpretation der statistischen Zahlenwerte war „unumstritten, dass die Matheleistungen besser werden müssen“ (Zitat) Der Schulsenator Ties Rabe „habe eine Mathe-Offensive gestartet“ (Zitat). Die Schwerpunkte dieser Offensive seien; „in den Klassen 5 bis 10 wöchentlich mindestens vier Stunden Mathematik… und von Klasse 7 an nur noch Fachlehrer“ (Zitat). Auch von „Fortbildung der Pädagogen“ war die Rede.

Es ist in der Tat wenig tröstlich, wenn man den Blick zurück auf die Lageberichte früherer Jahre zu eben diesem Thema lenkt. Zur Erinnerung: Im März 2014 titelte das Hamburger Abendblatt „Mathe-Abitur: Niveau in Hamburg sinkt deutlich.“ Bei dieser Recherche in der Vergangenheit findet man unter anderem auch, dass „Offensiven“, wie vom Schulsenator jetzt angekündigt, mit gleichen Verbesserungsmaßnahmen bereits früher in Angriff genommen werden sollten.
Die oben zitierten Medienberichte betreffen die aktuelle Situation der Ausbildung im Fach Mathematik an Hamburger Schulen. Der ABACUS Nachhilfelehrer in MINT-Fächer, der langjährig Schülerinnen und Schüler der Oberstufe im Kreis Pinneberg betreut, wird durch diese Pressemeldungen dazu angeregt, darüber nachzudenken, welcher Situation er bei der Arbeit mit den ihm anvertrauten Menschen begegnet. In der Summe ergibt diese Überlegung etwa folgendes Bild für das Fach Mathematik; Auf der Basis des für die entsprechende Klassestufe verbindlichen Curriculums teilt die Lehrerin oder der Lehrer den Schülerinnen und Schülern das jeweils zu bearbeitende Thema mit, zum Beispiel Analytische Geometrie – eines der drei wesentlichen Themengebiete neben der Analysis und der Stochastik in der Oberstufenmathematik.

Ein Unterricht im Sinne von Wissensvermittlung mit der systematischen Darstellung der Methoden, die zur Lösung der jeweiligen Aufgaben benötigt werden, findet nicht statt. Hierzu gibt es gibt es unterschiedliche Formen der Unterrichtsgestaltung.
Verbreitet ist, dass die Lehrkraft Aufgaben zu den Teilthemen an der Tafel vorrechnet, ohne die so vorgestellten Lösungswege zu erläutern. Die Schülerinnen und Schüler haben in der Regel alle Not, das in flottem Tempo Vorgetragene mit zu schreiben.
In einer anderen Version der Unterrichtsgestaltung wird die Klasse in Gruppen aufgeteilt, die Aufgabenblätter erhalten, auf denen Aufgaben zum jeweiligen Teilgebiet – zuweilen auch mit entsprechenden Lösungsmethoden, die zuvor nicht besprochen wurden – enthalten sind. Die Lösungen sollen dann in der Gruppe erarbeitet werden.

Das hier beispielhaft angesprochene Oberstufenthema ist – wie die beiden anderen genannten – sehr umfangreich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass beim Übergang der gymnasialen Ausbildung von G9 auf G8 keine erkennbare Themenbeschränkung stattgefunden hat. Daraus folgt, dass der Lehr- und Lernprozess unter hohem Zeitdruck steht. Die Teilthemen – etwa die typischen Aufgabenstellungen des hier gewählten Beispiels der Analytischen Geometrie wie:

  • Geradengleichung in Parameterform, gegenseitige Lage sowie Schnittpunkt von Geraden im Raum
  • Gleichung der Ebene in den verschiedenen Formen, gegenseitige Lage sowie Schnittgerade von zwei Ebenen, Abstand eines Punktes von der Ebene
  • Schnittwinkel von Geraden mit Ebenen
  • werden in wenigen Schulstunden vorgestellt. Weder im Schulunterricht noch im Rahmen der häuslichen Schularbeiten ergibt sich ein Zeitfenster für strukturierte Arbeit mit Möglichkeiten der angemessenen Wiederholung und Vertiefung des Stoffes.

    Die in dem vorangestellten Medienbericht vermutete Ursache für die schlechten Ergebnisse im Fach Mathematik, nämlich unzureichende Möglichkeiten für Übungen und Wiederholungen, findet man hier also mehr als bestätigt. Die fatalen Folgen dieser Situation sind unter anderen, dass die Wissenslücken mit hohem Tempo immer größer werden und Lösungsmethoden ohne Verständnis wie „Kochrezepte“ angewendet werden. Pro Schulhalbjahr werden einige wenige (2 -3) Klausuren geschrieben, in denen der Stoff mehrerer Teilgebiete – zum Teil auch themenübergreifend (zum Beispiel: Analysis und Stochastik) – zusammengefasst werden. Der Schwierigkeitsgrad derartiger Klausuren ist aus Sicht dessen, der den Stoff beherrscht, angemessen bis teilweise anspruchsvoll. Der Umfang der zu lösenden Aufgaben allerdings führt in der Regel zu einem erheblichen Zeitdruck während der Klausur.

    Die Diskrepanz zwischen dem Wissensstand, den die Schülerinnen und Schüler im Unterricht und in der häuslichen Nacharbeit erworben haben, und dem relativ hohen Anspruch in den Klausuren führt dann unter anderem dazu, dass der Mittelwert der Beurteilungen derartiger Klausuren bei Zensuren zwischen 4 und 5 (gemessen in der altbekannten Beurteilungsskala mit Zensuren von 1 – 6), teilweise eher schlechter liegt.
    Aus Sicht des Autors kann ein derartiges Arbeitsergebnis, das ja einen erheblichen Mangel an Wissensstand über die gesamte Breite der Schülerinnen und Schüler einer Klasse ausweist, nicht
    hingenommen werden. Vielmehr müssen diese alarmierenden Resultate von Leistungstests zum Anlass genommen werden, über grundsätzliche Änderungen im Lehr- und Lernprozess nachzudenken. Dabei darf man sich nicht von den bekannten Pauschalurteilen lenken lassen, wonach eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern ohnehin für Mathematik unbegabt und vielfach auch unwillig sei, für das Fach angemessen zu arbeiten. Der Autor vertritt die Meinung, dass Mittel und Wege, die zur Verbesserung des Gesamtergebnisses – im Sinne von Durchschnittsleistung – hinreichend bekannt sind (siehe unter anderem auch Hattie-Studie, 2009).

    Wenn alles so bleibt wie bisher, dann werden wir weiterhin niederschmetternde Nachrichten in den Medien lesen müssen, wie zum Beispiel im Abendblatt vom 19.08.2016: „Mathe bleibt ein Problem, Hamburg hinkt bei der Naturwissenschaft hinterher“ (Zitat). Oder wenig später, am 25.08.2016: „Jeder Dritte bricht das Studium ab… Viele scheitern an Mathmatik“ (Zitat).

    Aus der Sicht der aktuellen „Misere“ sind Erfolg bringende Maßnahmen zwingend und sehr schnell erforderlich, damit die ersehnte Trendwende doch noch eintritt.

    Veröffentlicht von

    Hensel

    Prof. Dr. Wilfried Hensel, TU Berlin. 30 Jahre naturwissenschaftliche Lehrerfahrung

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